Es war zweifellos ein spektakulärer Mord an den Iden des März 44 n. Chr.: Cäsar, zu dem Zeitpunkt Alleinherrscher über das Römische Reich, wird von den Senatoren umringt und erdolcht, stirbt nach 23 Stichen.
Die über 500 Schüler, die sich auf dem Campus Griebnitzsee am 05.10.2018 zum 14. Potsdamer Lateintag versammelt haben, werden Cäsar aus dem Unterricht kennen. Seine Schriften, wie zum Beispiel die Commentarii über den Gallischen Krieg, haben ihn lange überdauert, genauso die Sprache, die er gesprochen hat. Dass Latein weiterhin lebt, beweisen die Elft- und Zwölftklässler, die sich um 9:30 Uhr ihre Plätze im Hörsaal suchen. Das Thema dieses Jahr hat aber nichts mit den bekannten Autoren Cäsar, Seneca oder Plinius zu tun, diesmal liegt das Augenmerk auf denen, die im Lateinunterricht kaum betrachtet werden. „Im Schatten der Gesellschaft? Roms Umgang mit sozialen Randgruppen“ lässt einen Bezug zu heute herstellen: wer ist von uns ausgestoßen oder weniger angesehen? Wie leben diese Menschen?
Ein Grußwort spricht zur Eröffnung Professor Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam. Er zeigt nicht nur seine eigenen Lateinkenntnisse durch ein „Salvete, discipuli“ sondern auch, in welcher Weise Studierende in Potsdam das Fach Latein belegen können, spricht über das zu erwartende Wachstum der Uni, vor allem den wesentlichen Ausbau der Lehramtsstudiengänge und die dafür im Brandenburger Haushalt bereitgestellten Mittel.
Daran anschließend folgt der erste Vortrag, Dr. Meike Rühl aus Wuppertal spricht über Gladiatoren und rückt so manches schiefe Bild über diese Kämpfer gerade. So ging es nicht immer um Leben und Tod, das wäre bei der teuren Ausbildung für die Gladiatorenschulen viel zu kostspielig geworden. Ungefähr zwei bis drei Mal pro Jahr stand ein Gladiator im Sand des Amphitheaters und kämpfte, verkörperte Taferkeit und Mut, virtus. Und wurde trotzdem verachtet: entschied sich ein Römer (oder eine Römerin, es gab durchaus Gladiatorinnen) für den Weg in die Gladiatorenschule, legte er seinen Anspruch auf Unversehrtheit des Körpers ab. Das entsprach nicht mehr dem Status, den das römische Volk innehatte.
Als nächstes referiert Dr. Nicola Hömke von der Uni Potsdam und betitelt ihren Vortrag mit „Zahnlos, aber zauberkundig“ – inhaltlich geht es um die Rolle der Witwen und Frauen ohne Ehemänner in betagtem Alter. Da ist die betrunkene Alte, die in Texten zu finden ist und die alte Kupplerin (lena), die eine feste Rolle in der römischen Komödie hat. Gespottet wird über die Runzligen, die früher Ruhm und Ansehen genossen haben oder aber die gebildete Liebhaberin eines römischen Bürgers waren. Von gesellschaftlicher Akzeptanz kann nicht die Rede sein, sind doch sogar Schmähepigramme überliefert.
Ab 13 Uhr beginnen in Griebnitzsee Schnupperseminare, zu denen sich Schülergruppen anmelden konnten: hier sind die behandelten Randgruppen des alten Roms Menschen mit Behinderungen, Ausländer, Verbrecher, frühe Christen, Sklaven und Transvestiten.
Dem Applaus der Zuhörer zu Folge muss keiner der Referenten fürchten, von gezückten Dolchen umringt zu werden. Der Andrang zum Lateintag war sogar so groß, dass bereits eine Woche nach Ausgehen der Einladungen alle 590 Plätze belegt waren. Latein ist also weder tot noch verstaubt, quod erat demonstrandum. Die Mittel für die Universitätsvergrößerung könnten gleich in einen größeren Hörsaal fließen.