Joachim Richter Reichhelm bleibt in Erinnerung als Lehrer und Fachseminarleiter, Fachbereichsleiter seiner Schule, des Humboldt-Gymnasiums Berlin-Tegel, und als akademischer Lehrender an der TU Berlin.
Joachim Richter-Reichhelm war Lehrer: Beliebt und geschätzt in seiner unermüdlichen, gelassenen, freundlichen, zugewandten, aufmerksamen, klugen Art, seine Schüler mit den Inhalten, von deren Bildungswirksamkeit er überzeugt war und die ihn begeisterten, vertraut zu machen, nämlich mit der lateinischen Sprache, mit der Kultur und Literatur der Antike. Seine Interessen waren weit gespannt, sie reichten von der Philosophie und Religion der Griechen und Römer bis hin zum Latein des Mittelalters, von der Fachsprache der Medizin und Jurisprudenz bis hin zum Neulatein. In erstaunlicher Weise war er mit den Klassikern vertraut, insbesondere mit Horaz und Ovid, Vergil und den übrigen Autoren des augusteischen Zeitalters. Aus vollem Herzen aber liebte er ein weiteres Fach, das er nie unterrichtete: die Musik.
Umfassende Sachkenntnis, profundes Wissen, ein unermüdlicher Forschergeist – bis in hohe Alter und bis zuletzt haben ihn diese zwei Bereiche immerzu beschäftigt, Musik und Latein. Noch in den letzten Jahren forschte er zur lateinischen Metrik und schrieb selbst verschiedene kleine Texte (die er als „nugae", also „Nichtigkeiten", bezeichnete) in lateinischer Sprache.
„Ri-Rei", wie er von seinen Schülern und Schülerinnen und im Kollegium genannt wurde, hatte eine Ausstrahlung, die alle, die ihn als Lehrenden kennenlernen durften, tief beeindruckte. Viele seiner Schüler und Schülerinnen erinnern sich noch lange nach ihrer Schulzeit gern an ihn; manche haben ihn geradezu verehrt. Einige von ihnen hat er derart für sein Fach begeistert, dass sie es später als Studienfach gewählt haben.
In Dankbarkeit verbunden bleiben ihm seine Referendarinnen und Referendare. In der Art, wie der „pädagogische Nachwuchs" in seinem Seminar mit der Didaktik des Faches vertraut gemacht wurde, war er Vorbild. Seine persönliche Ausstrahlung und die Überzeugungskraft, mit der er in der täglichen Schulpraxis gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen nutzte und weitergab, waren für seine Referendare wegweisend. Er hat im besten Sinn forschend gelehrt, engagiert, anspruchsvoll, die ihm Anvertrauten fordernd und fördernd, äußerst kompetent und zugleich fair in seinem Urteil in Prüfungen.
Nicht minder innovativ wirkte er im Rahmen der universitären Lehrerbildung. Die zur damaligen Zeit noch außergewöhnliche Zusammenarbeit zwischen der universitären Latinistik und dem Schulfach Latein, d.h. zwischen Universität und Schule, verdankt ihm vielfältige Impulse. In fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen für Lehramtsstudenten der TU Berlin entstand eine neue, auf einen starken Praxisbezug hin orientierte Form der Lehrerbildung.
So hat er als Fachseminarleiter wie als akademischer Lehrer eine ganze Generation künftiger Lateinlehrer geprägt: mit nüchternem Blick auf die Möglichkeiten des Unterrichtsalltags. Bewährtes bewahrend, Neuem gegenüber jedoch immer aufgeschlossen.
Mit Joachim Richter-Reichhelm fehlt uns von nun an eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die wir in dankbarer Erinnerung behalten.